01.10.2019

Über Geld spricht man nicht? Doch!

 

Mit deinem Partner besprichst du alles? Auch dein Gehalt? Oder weißt du, was dein Kollege neben dir verdient? Oder deine Freunde? Deine Eltern?

Vielen von uns fällt es schwer, offen über Geld zu reden, vor allem, wenn es unsere eigenen Finanzen betrifft. Für 2/3 aller Deutschen ist Geld nach wie vor ein Tabuthema. Aber sind wir mal ehrlich, interessieren würde es uns ja schon. Also, warum reden wir eigentlich nicht über Geld?

 

„Wie viel verdienst du?“

Du vermutest, dass dein Kollege mehr verdient als du? Über 60% der Deutschen wissen nicht, was ihre Kollegen und Kolleginnen in ähnlichen Positionen verdienen. Und selbst die, die das Gehalt des Kollegen zumindest ungefähr kennen, wissen das nur zur Hälfte aus direkten Gesprächen und nicht aus Drittquellen. Aber warum fragen wir nicht einfach nach? Wovor haben wir Angst? Dass andere wissen könnten, was wir verdienen? Und dann? Was sollten sie mit dem Wissen machen? Trotzdem gilt es in Deutschland und Österreich noch weit verbreitet als „unverschämt“ direkt nach dem Gehalt zu fragen. Das macht man einfach nicht.

Gerade Berufseinsteiger tun sich schwer damit, auf die Frage nach dem gewünschten Gehalt eine passende Antwort zu finden. Diese Frage gehört aber in vielen Unternehmen zum Standard in Bewerbungsgesprächen. Also was antworten? Auf der einen Seite will man nicht unverschämt sein, aber sich auch nicht unter Wert verkaufen. Doch – woher soll man wissen, was angemessen ist, wenn nicht darüber geredet wird?

Deinem Chef kommt genau diese Gewohnheit, nicht über das Gehalt zu sprechen, dafür zu Gute. Wenn du nicht weißt, dass dein Kollege mehr verdient als du, wirst du auch nicht mehr fordern oder dein Chef kann dir eine Gehaltserhöhung anbieten, die immer noch unter dem Einkommen deines Kollegen liegt und du freust dich auch noch darüber. Und auch die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen werden dadurch merklich verstärkt. Frauen werden nicht mehr Gehalt fordern, wenn sie nicht wissen, dass ihr männlicher Kollege für die gleiche Position mehr bekommt. Dabei finden 63% der Deutschen, dass Unternehmen transparenter in ihrer Gehaltspolitik sein müssten. Warum fangen wir dann nicht damit an?

 

Wir reden über alles – nur nicht über Geld

„Sagt mal, was verdient ihr eigentlich so?“ Diese Frage stellte vor kurzem eine gute Freundin bei einem unserer regelmäßigen Treffen. Sie steht vor einem Jobwechsel und ihr neuer Chef wollte wissen, welches Gehalt sie sich für den neuen Job vorstellt. Und sie wusste erst einmal nicht, was sie darauf antworten sollte. Deswegen fragte sie uns, ihre Freundinnen seit Kindertagen, um Rat. Eigentlich nachvollziehbar. Aber in unserer Runde herrschte erst einmal Schweigen und keiner von uns wollte so richtig mit der Sprache rausrücken. Bis wir uns alle fragten, warum eigentlich? Was haben wir zu verbergen? Gerade seinen besten Freunden sollte man doch genug vertrauen, um auch solche Dinge mit ihnen zu teilen.

So ganz hat es dann aber doch nicht geklappt mit der Offenheit über unser Einkommen. Ich weiß, was das Lieblingsessen meiner Freundinnen ist, wie ihre Beziehungen laufen oder wo sich welche anbahnen und hab sie schon in allen möglichen Lebenslagen gesehen. Aber was sie verdienen, weiß ich nicht. Schon komisch, oder?

 

Streitpunkt Geld

Mit dem Partner sollte man über alles reden können? Das gilt scheinbar nicht für Geldangelegenheiten. Laut einer Studie von 2015 wissen mehr als 40% der Befragten nicht, was ihr Partner verdient. Dabei wünschen sich mehr als zwei Drittel, in einer Partnerschaft zu leben, in der auch ehrlich und offen über die finanzielle Situation gesprochen wird. Gerade Frauen bestehen aber auf ihre finanzielle Unabhängigkeit. Und irgendwie scheint es uns auch in langjährigen Beziehungen doch unangenehm zu sein, darüber zu sprechen, was wir mit unserem Geld machen, wer wofür zahlt oder wie viel Geld wir überhaupt haben.

Dabei werden die wenigsten Partner die gleichen finanziellen Voraussetzungen oder Einstellungen zum Umgang mit Geld haben. Gerade deswegen ist es aber so wichtig, darüber zu reden. Und spätestens mit der Frage nach einem gemeinsamen Konto wird Geld in jeder Beziehung zum Thema. Und oft auch zu einem Konfliktpunkt. Hier findest du deswegen Tipps dazu, wie du vermeiden kannst, dass deine Finanzen auch deine Beziehung aus dem Gleichgewicht bringen.

 

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Warum wir nicht über Geld sprechen

Irgendwie sind uns die Themen Geld und Finanzen unangenehm. Aber warum eigentlich? Viele von uns können auch gar nicht genau sagen, wieso sie so ungern ihre finanziellen Verhältnisse offenlegen.

Grundsätzlich hat Geld auch immer viel mit Emotionen zu tun, auch wenn das nicht immer logisch ist. Gerade was das Einkommen betrifft, sind wir sehr zurückhaltend mit dem, was wir Anderen erzählen. Warum? Das Gehalt ist der Gegenwert zu unserer Arbeit und „bewertet“ somit das, was wir machen, finanziell. Es sagt damit aber auch schnell etwas über die „Qualität“ unserer Arbeit aus. Das nehmen wir schnell persönlich.

Wie so vieles Andere auch, ist aber auch die Scheu, über Geld zu sprechen, angelernt und meist sozial adaptiertes Verhalten. Auch wenn wir nicht bewusst so erzogen werden, in unserer Gesellschaft herrscht meist noch das Prinzip: Über Geld spricht man nicht. Selbst wenn deine Eltern untereinander sehr offen damit umgehen, im Umgang mit Freunden oder auch in der Schule merken Kinder schnell, dass Geld oft ein Tabuthema ist.

Zusätzlich dazu ist die Verschwiegenheit bei diesen Themen auch kulturell bedingt. In Amerika sieht die Lage da ganz anders aus als bei uns. Egal, ob damit anzugeben, wie viel man verdient oder um Mitleid zu bekommen, es wird offen über sein Einkommen gesprochen. Und das hat nicht zuletzt auch etwas mit dem amerikanischen Traum, vom Tellerwäscher zum Millionär, zu tun. Amerikaner glauben daran, dass jeder sein Leben und Glück selbst in der Hand hat und es damit auch selbst beeinflussen kann. Das beinhaltet auch, dass jeder selbst dafür verantwortlich ist, wie seine finanzielle Situation aussieht.

Wir hingegen glauben viel zu viel an Schicksal. Statt uns zu fragen, wie hat der das geschafft, was kann ich daraus lernen, erklären uns Misserfolge viel mehr mit dem Umfeld. Ich hatte ja gar keine Chance, das liegt nicht an mir. Wir glauben an Gerechtigkeit, das Schicksal wird es schon richten. Aber – versteht mich hier nicht falsch – soziale Gerechtigkeit ist ein essentieller Pfeiler unserer Gesellschaft, ab und zu muss man sein Leben schon selbst in die Hand nehmen. Wer die Verantwortung für seine finanzielle Situation abschiebt und meint, er könne das nicht beeinflussen, macht es sich zu einfach. Die Frage ist, was kann ich ändern und wie?

Dazu müssen wir uns auch davon lösen, mit Neid auf den mit mehr Geld zu schauen. Ja, Gefühle kann man nicht beeinflussen. Aber die Frage ist doch, was mache ich daraus? Verkrieche ich mich und ärgere mich über die Ungerechtigkeit der Welt? Oder frage ich mich, was ich mir davon abschauen kann? Wie kann ich auch dahin kommen? Was kann ich daraus lernen? Das fordert ein gewisses Umdenken und ziemlich viel Selbstreflexion. Aber es lohnt sich.

 

Warum es so wichtig ist, darüber zu sprechen

Selbstreflexion ist hier ein gutes Stichwort. Man muss sich schon mit sich selbst und mit seiner Situation, dem Ist-Zustand, aber auch dem Soll beschäftigen, um Veränderungen zu erzielen. Gewohnheiten ändern sich nicht von alleine und dein Geld vermehrt sich höchstwahrscheinlich auch nicht einfach so. Deswegen Schritt 1: Wo stehe ich und wo will ich hin?

Trotzdem – woher sollen wir wissen, welches Gehalt „normal“ ist? Wie man sein Geld am Besten investiert? Oder ab welchem Alter man an seine Altersvorsorge denken müsste? Man sucht nach Informationen. Fragt sich, wie das andere machen. Wenn du nicht sofort dein Umfeld fragen willst: Man findet dazu auch Informationen im Internet. Über unsere Finanzen zu schreiben, fällt uns nämlich leichter als darüber zu reden. Aber bitte nur anonym!

Dabei helfen uns Erfahrungsberichte und Empfehlungen von Freunden und Verwandten doch viel mehr. Du suchst ein gutes Restaurant? Oder planst deinen nächsten Urlaub? Wenn es um Konsum und darum, unser Geld auszugeben, geht, fragen wir doch auch unser Umfeld nach Rat. Warum also nicht dazu, wie man sein Geld am besten vermehrt?

Was uns das aber auch zeigt: Wir wissen einfach grundsätzlich auch zu wenig über Geld! Wenn schon nicht in der Familie oder im Freundeskreis über Geld gesprochen wird, wäre es dann nicht zumindest Aufgabe der Schulen, uns den Umgang mit Finanzen und Geld beizubringen? „Ich bin fast 18 und ich habe keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ´ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“ Mit diesem Tweet sorgte eine 17-Jährige Schülerin aus Köln vor einiger Zeit für Aufsehen und löste damit eine Debatte über Finanzbildung in Schulen aus. Geändert hat sich dadurch aber leider nicht viel. Finanzbildung kommt in Schulen noch immer viel zu kurz. Aber ohne Wissen oder zumindest Vergleichswerten tun wir uns schwer, Dinge einschätzen und bewerten zu können. Und das ist die Voraussetzung dafür, eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Oder ein faires Gehalt zu fordern bei Gehaltsverhandlungen.

Ein offener und ehrlicherer Umgang mit Geld ist aber nicht nur für die Entscheidungsfindung wichtig. Es bringt uns auch mehr Gerechtigkeit. Und mehr Lebensqualität – im Beruflichen wie auch im Privaten. Ja, Geld ist nicht alles, aber es schafft ein gemütliches Polster und ermöglicht uns, uns auch auf andere Dinge zu konzentrieren, die auch wirklich Spaß machen 😉 Und es spart uns eine Menge Stress.

 

Also weg mit den alten Gewohnheiten und fang endlich an, über Geld zu sprechen! Und du wirst sehen, davon profitiert in alles erster Linie nur Eine/r: DU!

 

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